Die senercon GmbH, die Universität Würzburg sowie die ENER-IQ GmbH, prüfen in einem Forschungsprojekt die Heizungsanlagen in 20 Gebäuden in Deutschland auf ihre Effizienz und wollen in Zukunft deren Wirksamkeit bei Wärmeerzeugung und Verteilung mittels künstlicher Intelligenz verbessern
Die Umweltbelastung in Deutschland durch den Ausstoß von CO2 steigt 2019 weiter – und steht den Zielen der Bundesregierung entgegen, das klimaschädliche Gas zu reduzieren. Dazu tragen auch veraltete und ineffiziente Heizungsanlagen bei. Laut einer Untersuchung des Bundesverbands der Deutschen Heizungsbauer (BDH) von 2015 waren damals mehr als 70 Prozent aller Heizungsanlagen in Deutschland „unzureichend effizient“.
Nach wie vor wird ein „erfolgreiches“ Heizsystem zunächst daran gemessen, dass Gebäude „schnell warm“ werden und von den Bewohnern keine Beschwerden kommen – und nicht an der tatsächlichen Effizienz bei der Wärmeerzeugung und Verteilung. Die Folge der mangelnden Fachkenntnis: Die Anlage arbeitet nicht im optimalen Betriebszustand, verursacht einen unnötig hohen Energiebedarf und erhöhten CO2-Ausstoß.
Genau hier setzt das Forschungsprojekt „KINERGY“ an, das offiziell im November an den Start geht. Sven Rausch, Geschäftsführer der ENER-IQ GmbH mit Sitz in Würzburg und Hamburg und Ideengeber, weiß um die Rahmenbedingungen, unter denen Betriebs- und Prozessdaten von Heizungsanlagen heute analysiert werden. „Die Analyse und Maßnahmenentwicklung erfolgt derzeit oft manuell durch hoch spezialisierte Ingenieure“, sagt der 30-Jährige.
Die Idee für ein solches Forschungsprojekt wurde von den Projektpartnern ENER-IQ und senercon entwickelt. „Wir brainstormten, wie ein Projekt konkret aussehen könnte und kamen schnell zur Einsicht, dass es sinnvoll ist, eine Universität mit einzubeziehen,“ schildert Sven Rausch. Bei „KINERGY“ soll Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen bei komplexen Heizsystemen in großen Immobilien angewendet werden. Damit möchten die Projektpartner deutlich machen: Das Potential zur Energieeinsparung kann man durch innovative Verfahren noch viel besser ausschöpfen. Mithilfe moderner Technologien soll ein Assistenzsystem entstehen, das Betreiber und Handwerker umfangreich unterstützen kann. Das übergeordnete Ziel: Energie einsparen und dadurch den Ausstoß von CO2 vermeiden.
„Umwelt schützen mithilfe Künstlicher Intelligenz“
Der Ansatz bei diesem Pilotprojekt lautet: Um Heizungsanlagen flächendeckend zu optimieren, bedarf es einer automatisierten Analyse und Optimierungsentwicklung. Gemeinsam mit zwei Projektpartnern, den beiden Professoren Dietmar Seipel und Frank Puppe vom Lehrstuhl Informatik der Universität Würzburg und der senercon GmbH, einem Ingenieurbüro aus Berlin, gegründet von Klimaschützer Dr. Johannes Hengstenberg, möchte Sven Rausch ein weiteres Ziel erreichen: „Wir möchten im Rahmen eines guten Austauschs mit der Universität einen stetigen Wissenstransfer gewährleisten“.
Folgende Einrichtungen sind bei dem technisch anspruchsvollen Vorhaben beteiligt: Die Würzburger Wohnungsgenossenschaft eG (WWG), der Kreis Plön (Schleswig-Holstein), die Berliner Energiemanagement B.E.M, die Schulbau Hamburg sowie Gebäudemanagement Schleswig-Holstein.
Sie stellen ihre Heizungsanlagen kostenfrei für das Projekt zur Verfügung und übernehmen die Kosten für die Umbauarbeiten. In der Folge will man jene Effizienzmaßnahmen umsetzen, welche die Künstliche Intelligenz vorschlägt. Andreas Schaub, Vorstand der WWG, meint: „Als modernes Unternehmen der Wohnungswirtschaft ist der effiziente Betrieb der Heizungsanlagen stets ein wichtiges Thema. Durch die Teilnahme am „KINERGY-Projekt“ können wir die Forschung unterstützen und die Nebenkosten für unsere Mieter senken.“
Im besonderen Fokus des Projekts steht die vollautomatische Erkennung von Optimierungsmöglichkeiten im hydraulischen System der Wärmeerzeugungsanlage – ohne direkte menschliche Analyse. Dazu muss das Fachwissen der ENER-IQ Ingenieure maschinell abgebildet werden.
Günter Wolter, Mitgründer von ENERIQ GmbH, meint: „Die von uns entwickelten Optimierungsempfehlungen gehen weit über das Parametrieren der Heizkennlinie hinaus. Das System soll in der Lage sein, gezielt Bauteile zu benennen, die für das Fehlverhalten der Anlage verantwortlich sind und mögliche Lösungsvorschläge anbieten. Dies kann die Begrenzung der Pumpenleistung sein, die Diagnose eines falsch montierten 3-Wege-Mischers oder ein Fehler in der Hydraulik.“
Einen weiteren Vorteil erwartet man durch die Anwendung des „KI-Systems“: eine erhöhte Zuverlässigkeit von Heizanlagen. Der Anspruch von Sven Rausch und seiner Mitstreiter lautet: „KI-Systeme“ sollen komplexe Informationen über den Anlagenbestand in verständlicher Weise so aufbereiten, dass auch Techniker – ohne tiefes Fachwissen von Heizsystemen – eine vorausschauende und energieeffiziente Betriebsführung durchführen können. So soll auch dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.
Eine Herausforderung ist das Projekt auch für die Forschungsgruppen von Prof. Frank Puppe und Prof. Dietmar Seipel von der Universität Würzburg: Diese besteht in der Überwachung von komplexen Heizungsanlagen mit den installierten Sensoren – in Kombination mit Wetterdaten. Denn die Informationen können nicht vollständig und exakt sein.
Dazu sollen verschiedene Techniken der Künstlichen Intelligenz wie wissensbasierte Systeme, Data Mining, Simulations- und Kalibrierungsverfahren erprobt werden. Diese werden danach in ein übergeordnetes Entscheidungsunterstützungssystem integriert.
„KI-System“ versus manuelle Messung: Erstes Zwischenfeedback Anfang 2021
Das erste Zwischenfeedback zum Projekterfolg soll es Anfang 2021 geben. „Sobald die erforderliche Messtechnik in den 20 Gebäuden installiert ist und unsere Ingenieure eine grundsätzliche Einschätzung zur Effizienz bestimmt haben“, erläutert Sven Rausch. „Danach wenden wir die parallel entwickelten Algorithmen an und prüfen, ob das „KI-System“ ähnliche Resultate erzielt wie die Ingenieure bei ihrer Analyse – und wo wir die Software weiterentwickeln müssen“.
Wann aber kann man von einem Erfolg des Projekts sprechen? Fragt man Sven Rausch nach seinen persönlichen Kriterien, antwortet er: „Wenn wir einen Großteil der manuell durch unsere Ingenieure gefunden Optimierungsvorschläge auch algorithmisch finden können und diese umgesetzt wurden. Dann steigt die Energieeffizienz der Heizungsanlagen an und das ist konkret am gesunkenen Energieverbrauch messbar. Wir hoffen, dass wir das System ausreichend generalisieren können, sodass wir später auch weitere Anlagen einfach analysieren und verbessern können“.
Das Projekt hat auch einen kleinen makroökonomischen Nebeneffekt: Die ENER-IQ GmbH hat extra für dieses Vorhaben drei neue Arbeitsplätze geschaffen, der Lehrstuhl Informatik der Universität Würzburg beschäftigt infolgedessen zwei neue Mitarbeiter. Zwei Angestellte stellt die senercon GmbH speziell für dieses Projekt ab. Es hat ein Volumen von knapp 2,5 Millionen Euro und wird durch das Bundesministerium Wirtschaft anteilig gefördert. Sven Rausch: „Ich freue mich sehr, dass wir zwei so wichtige Themengebiete wie den Umweltschutz und die künstliche Intelligenz miteinander verbinden können.“
Immanuel Hengstenberg, Geschäftsführer der senercon GmbH, ergänzt:
„KINERGY ist ein zukunftsweisendes Projekt für uns. Durch die im Projekt entwickelte automatische Fehlererkennung im Heizsystem kann unser bisher erfolgreich verfolgter Ansatz einer skalierbaren Online-Energieberatung langfristig auf ein ganz neues Niveau gehoben werden.“
Ansprechpartner für die Medien:
SEnerCon GmbH
Herr Immanuel Hengstenberg (Geschäftsführer)
Hochkirchstr. 11
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